Zollverein - bedeutend wie die Pyramiden

Am Freitag, den 14. Dez. 2001, in Helsinki von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt

Zeche und Kokerei „ZOLLVEREIN“ in Essen sind zum Weltkulturerbe ernannt worden. Die Gebäude seien ein „repräsentatives Beispiel für die Schwerindustrie in Europa“, so urteilte die Jury. 721 Stätten in 121 Ländern gehören jetzt zum Weltkulturerbe. Schon bei der Inbetriebnahme, im Jahre 1932, galt Zollverein, stillgelegt im Jahre 1986, als Musteranlage- man sprach von der „schönsten Zeche der Welt“. Die steht jetzt als Weltkulturerbe in einer Reihe mit den Pyramiden von Gizeh, der Chinesischen Mauer oder der Akropolis in Athen.

Auf Zollverein knallen die Sektkorken ( WAZ vom 15.12.2001)

Von Michael Kohlstadt und Bernd Kassner Tagesthema
Gut Ding will Weile haben. Nicht Mittwoch, nicht Donnerstag, nein: gestern erst erhob die Unesco Essens einst größte Zeche und Kokerei in den Adelsstand des Weltkulturerbes. Erleichterung bei den Zollvereinern und Jubel in der Stadt und im Land über diese schöne Bescherung.

"Ein Gefühl wie Weihnachten" verspürte Jolanta Nölle gestern Mittag. Die Geschäftsführerin der Stiftung Zollverein erfuhr als eine der ersten von der lang erwarteten Entscheidung im fernen Helsinki. Das Objekt mit der Kennziffer 975 - stadtteilgroß, Millionen an Fördermitteln schwer und schön, wie eine Zeche nur sein kann - ging gestern glatt durch die Beratungen in der finnischen Hauptstadt. Zollverein ist in diesem Jahr die einzige deutsche Stätte, die den begehrten Titel erhält. Der Tagungsort, die Finnlandia-Halle, mag bei der Entscheidung für Essens Aushängeschild der Industriekultur eine Rolle gespielt haben. Entworfen hat sie nämlich Alvar Aalto.

Gestern also Jubel auf der ganzen Linie. Zollverein ist Deutschlands 25. Weltkulturerbe, das erste und einzige im Ruhrgebiet. Ministerpräsident Wolfgang Clement gratulierte per Fax zu dieser "fantastischen Würdigung", sprach von einer "großartigen Ehrung für die Kathedrale der Industriekultur". Die Entscheidung der Unesco, so Clement, werde die Entwicklung eines hochwertigen Gewerbeparks für Design, die geplante Weltausstellung "Metaform" und die Konzeption für ein neues Ruhrmuseum auf dem Gelände beflügeln. Bauminister Vesper lobte die weltweite Beachtung des Ruhrgebiets, die die Ernennung nach sich ziehen werde.

Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger sagte: "Die Wahl ist nicht nur eine Auszeichnung für die Stadt Essen, sondern für das gesamte Ruhrgebiet. Zollverein ist ein Symbol für den Strukturwandel einer ganzen Region." Kulturdezernent Oliver Scheytt hob die Verantwortung hervor, die die Ehrung mit sich bringe: "Essen hütet nun einen der größten Schätze des Ruhrgebietes in seinen Stadtgrenzen."

Stefan Schwarz, Geschäftsführer der Zollverein Entwicklungsgesellschaft, freute sich ganz besonders. Er war bis Donnerstag direkt beim Geschehen am Tagungsort dabei, musste gestern aus Helsinki zurückgekehrten, weil der Aufsichtsrat der Entwicklungsgesellschaft zu seiner turnusmäßigen Sitzung zusammentraf.

In der Stiftung Zollverein knallten gestern endlich die Korken. "Der Sekt war drei Tage lang kaltgestellt", scherzte eine sichtlich erleichterte Geschäftsführerin Nölle. Eine Spur feiner feierte man nebenan im schicken Design-Zentrum. "Wir stoßen mit Champagner an", so Geschäftsführer Peter Zec. Für ein Design-Zentrum könne man sich keine bessere Auszeichnung wünschen.

Seine "große Freude, dass wir aus der Vergangenheit nun die Zukunft gewinnen", äußerte Heinrich Gehring an seinem letzten Arbeitstag als Stadtsuperintendent und Superintendent von Essen-Nord. "Es war ein Einschnitt, die letzte Zeche Essens zu schließen. In einem Gottesdienst wurde damals die Bitte ausgesprochen, dass mit der Zeche Zollverein nicht die Zukunft geschlossen werde. Diese Bitte hat sich erfüllt. Dass das Kunstwerk jetzt so gewürdigt wird, ist ein kleiner Segen."

"Ich freue mich sehr über diese Würdigung", begeisterte sich Dompropst Günter Berghaus. Mit dem Kathedralbegriff für die Zechenanlage sollte man aber zurückhaltender umgehen. Berghaus: "Das hat dieser Bau doch nicht nötig."

Apropos Kathedrale: Der Devotionalien-Handel mit dem frischgebackenen Weltkulturerbe lässt nicht lange auf sich warten. Die Werbeagentur "Zollverein-Marketing", die ihre Büros in der Halle 12 hat, kündigte gestern im Gespräch mit der WAZ an, jetzt mit der Produktion kleiner Mitbringsel für Zollverein-Touristen zu beginnen. Mini-Fördertürme, Regenschirme und T-Shirts sollen Zollverein als Andenken in alle Welt tragen. Was ein echter Wallfahrtsort sein will . . .